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Piastri an der Seite von Norris: Warum geht McLaren so viel Risiko ein?

Piastri an der Seite von Norris: Warum geht McLaren so viel Risiko ein?

25. August 2022 ab 10:38
  • GPblog.com

McLaren hat den Abgang von Daniel Ricciardo bekannt gegeben, was die Tür für Oscar Piastri weit offen lässt. Warum geht McLaren so viel Risiko ein, um einen Rookie zu verpflichten?

Ricciardo enttäuscht

Es lag schon eine Weile in der Luft, aber am Mittwochnachmittag gaben McLaren und Ricciardo bekannt, dass ihre Zusammenarbeit zu Ende geht. Der Vertrag des Australiers lief noch bis 2023, aber McLaren wollte nicht mit dem achtfachen Rennsieger weitermachen. Das Unternehmen hat ein Auge auf einen Ersatz geworfen und hat vielleicht sogar schon einen unter Vertrag.

Es ist klar, dass Ricciardo in den anderthalb Jahren bei McLaren keine guten Leistungen erbracht hat. Der ehemalige Red Bull Racing- und Renault-Pilot wurde als großer Mann geholt und soll rund 15 Millionen Euro im Jahr verdienen. Ein großer Unterschied zu seinem jüngeren Teamkollegen Lando Norris.

Der Fahrer aus dem eigenen Training erwies sich als besser, als die Leute bei McLaren vielleicht gedacht hätten. Wo der Brite noch Carlos Sainz den Vortritt lassen musste, hat Norris in eineinhalb Jahren gezeigt, dass nicht Ricciardo, sondern er die neue Nummer eins des Teams ist. Bei der Vertragssituation der beiden stellte das natürlich ein Problem für McLaren dar.

Im Jahr 2021 war der Unterschied zwischen den beiden Fahrern riesig. Norris gewann das Qualifying-Duell mit 15:7 und einem durchschnittlichen Unterschied von 0,192 Sekunden. Gegen das anerkannte Qualifying-Biest Ricciardo war das eine besonders ansehnliche Leistung. Auch am Sonntag machte Norris einen Schritt nach vorne. In den Rennen, in denen beide Fahrer die Ziellinie überquerten, lag Norris fünfzehn Mal vor Ricciardo und nur fünf Mal andersherum. Das spiegelte sich auch in den Punkten wider: 160 für Norris zu 115 für Ricciardo.

2021 konnte sich Ricciardo immer noch an die Tatsache klammern, dass er in Italien gewonnen hatte, Norris das Auto länger kannte und auch länger mit dem Team verbunden war. 2022 wäre ein Neuanfang für Ricciardo mit einem komplett neuen Auto und einem Jahr Erfahrung im Team.

Obwohl Ricciardos Vorbereitung durch eine Covid-Infektion während der Wintertests etwas getrübt wurde, kann das keine Entschuldigung für die enttäuschenden Leistungen des Australiers in der laufenden Saison sein. Im Qualifying-Duell steht es bereits 11:2 für Norris, denn der Brite war im Schnitt 0,356 Sekunden schneller als sein erfahrener Teamkollege. Am Sonntag steht es im Rennduell zwar "nur" 8:3, aber der Unterschied in den Punkten ist gewaltig: 76:19.

McLaren konnte nicht anders handeln

Aus Sicht von McLaren ist es daher verständlich, dass die Zusammenarbeit mit Ricciardo beendet wird. Bei einem jungen Fahrer kann man es akzeptieren, wenn er keine Leistung bringt, aber Ricciardo steht für ein hohes Gehalt unter Vertrag und das schließt große Leistungen ein. Je länger er keine Leistung bringt, desto grimmiger werden die Gesichter auf der anderen Seite der Garage.

Für McLaren ging es also darum, eine Lösung zu finden. Norris hat gezeigt, dass er das Team führen kann, und deshalb wird nicht unbedingt ein Anführer benötigt. Denn die großen Fahrer des Augenblicks sind auch bei Red Bull Racing, Ferrari und Mercedes für einen längeren Zeitraum gebunden. McLaren kann auch nicht auf das eigene Training zurückgreifen, also haben sie einen Blick auf die Konkurrenz geworfen.

Piastri kommt ins Spiel

Oscar Piastri passt genau in das Bild, das McLaren im Kopf hat. Ein junger Fahrer, der bewiesen hat, dass er schnell ist, der aber zunächst neben Norris sitzen kann. Als junges Talent gewann Piastri in seiner ersten Saison die Titel in der Formel 3 und der Formel 2. Der Australier gilt als eines der größten Talente seiner Generation, aber Alpine hatte keinen Platz für ihn im Jahr 2021.

Als Alpine dann 2022 erneut andeutete, dass sie Fernando Alonso lieber beim Team behalten und Piastri einen Platz bei einem kleineren Team anbieten wollten, trieb das Piastri zum Ausstieg. Williams wurde als sein zukünftiges Ziel genannt, aber die Frage ist, inwieweit der Deal bereits abgeschlossen war und wie viel Lust Piastri darauf hatte.

Offenbar war Piastri nicht zuversichtlich, denn es klopfte an der Tür von McLaren. Das Talent hat also seine eigenen Scheiben bei Alpine eingeschlagen, könnte aber im Gegenzug bis 2023 einen besseren Platz bekommen. Wahrscheinlich hat er nicht damit gerechnet, dass bei Alpine doch noch eine Stelle frei wird.

Piastri und McLaren gehen ein Risiko ein

Piastri geht ein Risiko ein. Alpine hat jahrelang in ihn investiert, um ihn an die Spitze zu bringen, und ein Wechsel zu einem Konkurrenten ist nicht wirklich lohnend. Außerdem wechselt Piastri jetzt zu einem Team, in dem Norris das Sagen hat. Er war der Zögling von McLaren und ist jetzt der Anführer. Wenn Piastri nicht gut genug ist, könnte er beiseite geschoben werden und kein Sicherheitsnetz haben.

Auch für McLaren ist das ein Risiko. Ricciardo hat sein Gehalt bekommen, weil sein Vertrag bis 2023 läuft, und es gibt keine Garantie, dass Piastri es besser machen wird. Er hat den F3- und F2-Titel gewonnen, ist aber noch nicht einmal einen offiziellen Test in einem F1-Auto 2022 gefahren. Es ist auch eine Frage, wie das Team abschneiden wird. Mit Norris hat das Team einen klaren Spitzenreiter und mit einem jungen Talent an seiner Seite könnte es zu einem internen Kampf kommen.

Auf der anderen Seite ist dieser Schritt absolut verständlich. Durch den Auskauf von Ricciardo ist Norris jetzt die echte Nummer eins und wird nicht mehr auf den Vertrag seines Teamkollegen verweisen. Ricciardos Leistung war einfach nicht gut genug, um ihn länger zu halten. Mit Piastri hat sich das Team aus Woking ein großes Talent geschnappt und es einem Konkurrenten weggenommen.

Piastris Entscheidung wird nicht bei allen gut ankommen. Er wurde von Alpine finanziell unterstützt, um es so weit zu bringen, und dieses Team kommt nun zu kurz. Andererseits kann man es Piastri nicht verübeln, dass er weiterzieht, nachdem er 2022 aus dem Rennen genommen wurde, weil Alpine die Kurve nicht gekriegt hat. Mit seinem Wechsel hat Piastri jedoch seine Chancen bei Alpine in der Formel 1 verloren, also muss er unter den Fittichen von McLaren erfolgreich sein.